Wenn man sich bemühen muss, nicht mehr abzunehmen
„Wheat Belly“ und mein Selbstversuch
Meine sehr verehrten LeserInnen wissen, dass ich seit Jahren tendenziell zu Low Carb neige. Ich empfehle das auch gerne in meinen Beratungen und Seminaren. Ich weiß, nicht jede Abnehmwillige mag
Low Carb und man kann auch anders abnehmen (Real Food, Low Fat, Kalorien sparen). Aber ganz ehrlich: auf Dauer ist Low Carb sehr viel effektiver und leichter durchzuziehen. Low Carb hat mir
geholfen, von schon fast wieder 68 Kilo auf stabile 62kg runterzukommen.
Seit über einem Jahr bin ich sogar zuckerfrei. Mein Gewicht purzelte auf knapp 60 Kilo runter und das halte ich ohne große Mühe oder Nachdenken. Der eigentlich Grund dafür war allerdings der
schlechte Zustand von Zähnen und Zahnfleisch, und dieses Problem ist seit meiner Zuckerlosigkeit verschwunden.
Seit ca. 6 Wochen stecke ich in einem weiteren Selbstversuch, in dem ich noch einen gewaltigen Schritt weitergehe: Ich lebe getreidefrei. Auslöser dafür war das Buch „Wheat Belly“ von William
Davis, das ich endlich gelesen habe. Auch andere namhafte Ärzte und Wissenschaftler, z.B. David Perlmutter, empfehlen, komplett auf Getreide zu verzichten.
Die Begründungen dafür, in Kürze zusammengefasst. Erstens sollen die ersten gesundheitlich bedenklichen Aspekte von Getreidekonsum schon in der frühen Antike erkennbar sein, als die Menschheit
anfing, Ackerbau zu betreiben. Archäologische Funde aus Mesopotamien und Ägypten zeigen, dass Menschen kleiner wurden, mehr Krankheiten und schlechtere Zähne bekamen, als die Nomaden, Jäger und
Sammler vor ihnen.
Zweitens wurde unser Getreide (und mit „unser“ meine ich weltweit nahezu 100% der gesamten Ernte von Weizen, Roggen, Hafer, Gerste und Dinkel) in den 70er Jahren genetisch verändert. Damals gab
es noch keine Gentechnologie. Die genetische Manipulation wurde durch Züchtung und Querzüchtung erreicht. Das moderne Getreide soll besonders bedenklich sein.
Die drei wichtigsten nachteiligen Effekte von modernem Getreide sind:
Noch mehr Stärke in besonders kleinen Molekülen. D.h., unser Mehl geht schnell ins Blut, lässt den Insulinspiegel hochschnellen, ernährt uns kaum und macht schnell wieder hungrig.
Der Proteinanteil des Getreides hat sich molekular verändert. Es wirkt heute wie Opium, d.h. es bindet an die Dopamin-Rezeptoren im Gehirn und löst Effekte aus wie ein Suchtmittel. Und
schließlich ist zu erwähnen, das diese Pflanzen möglichst resistent gegen Schädlinge gezüchtet wurden. Oder anders gesagt, sie haben ihr Insektenvernichtungsmittel direkt eingebaut. Man kann sich
leicht vorstellen, dass Pflanzen, die sie essende Insekten vernichten können, auch in den Eingeweiden von Menschen nichts Gutes anstellen. Tatsächlich soll modernes Getreide die Schuld am
sogenannten Leaky Gut Syndrom tragen, also am durchlässigen Darm. Der wiederum Grundursache für die meisten Allergien und Autoimmunerkrankungen ist. Es ist erschreckend: Autoimmunerkrankungen
haben in den letzten 40 Jahren um fast 400% zugenommen. Ich kenne fast niemanden über 40, der nicht irgendeine Autoimmun-Erscheinung hat, sei es Rheuma, Neurodermitis, absurde Allergien, Lupus,
Hashimoto oder Morbus Crohn, bzw. die schwächeren Ausbildungen dieser Krankheiten in (noch) nicht klinischem Ausmaß.
Soweit die wichtigsten Argumente der Getreidegegner. Vieles davon ist umstritten, nichts gilt endgültig als erwiesen. Aber wie ich nun mal gestrickt bin, dachte ich „schau ma mal“ und esse seit
7. Oktober kein Brösel Getreide mehr. Weil Neugier und so. Das ist verdammt schwer. Man kann fast nicht auswärts essen. Man kann nichts „Schnelles“ essen, weil – kein Brot. Keine Nudeln, Knödel,
Müslis oder Flocken, keine Panier und fast nichts Fertiges, weil überall – leider wirklich nahezu überall – Mehl drin ist. Sogar in Kartoffelchips, Wurst, Joghurts und Aufstrichen.
Da ich aber ohnehin schon an selber Kochen gewöhnt bin, und vorwiegend zuhause esse (und das Haus satt verlasse, was viel Geld spart) schaffe ich das ganz gut.
Nun aber das Interessante, was ist der Effekt? Ich nehme irgendwie ständig ab. Wohlgemerkt, ich esse viel und gut:
Käse, Oliven, Avocados, Eier, Fleisch, Innereien und Speck, Fisch und Meeresfrüchte, Salate und Gemüse, Joghurt, Butter und Schmalz. Ich esse soviel Fett, wie möglich. Seit 2 Wochen ertappe ich
mich dabei, zusätzlich Schlagobers und Walnüsse ins Essen zu geben, damit ich nicht unter 58 Kilo komme.
An dieser Stelle darf ich meine verehrten LeserInnen daran erinnern, dass ich kein schlanker Mensch bin. Ich war ein dickes Mädchen, ich gehöre zu „Leicht Zunehmern“. Ich hatte schon 78
Kilo. Man hat mir erklärt, dass ü40-Frauen entweder immer runder oder immer dünner werden, und dass ich wohl zur ersten Kategorie gehöre.
Es ist bemerkenswert, was der Getreideverzicht bewirkt. Die Ess-Sucht verschwindet. Die Heißhungerattacken verschwinden. Die Gier, über den Hunger hinaus zu essen, verschwindet. Der Kopf wird
klarer, man wird untertags nicht mehr müde. Von all den oben genannten Argumenten gegen Getreide kann ich jenes am ehesten nachvollziehen, das Getreide mit Opium vergleicht. Dieses seltsame
„High“, das man bei frischem Brot bekommt, fällt weg. Genauso geht es dem Übergewicht: es fällt einfach weg.
Ich kann verstehen, wenn Sie keine Lust haben, das „Getreide-frei“ - Experiment zu machen. Es ist am Anfang wirklich anstrengend, weil es so eine Umstellung ist. Andererseits, sollten Sie
verzweifelt Übergewicht mit sich herum schleppen und wirklich, wirklich endlich schlank werden wollen, gibt es keine einfachere Methode. Kein Kalorienzählen, kein Hunger, kein Kümmern um gar
nichts. Und jetzt gehe ich meine Vorjahres-Jeans in Größe 27 wegwerfen. Ich trage jetzt nur mehr die Neuen in Größe 25.