Es wurde uns, die wir ständig gegen das Übergewicht kämpfen, so eingebleut, dass es niemand mehr in Frage stellt. Um abzunehmen müsse man mehr Kalorien verbrennen, als man isst. Deshalb sei es
unerläßlich, Sport + Bewegung zu machen, wenn abnehmen will.
Das Internet biegt sich vor Kalorienrechnern, Tabellen über Grund- und Leistungsumsatz, und dem ständig wiederholten Mantra, dass man mehr Bewegung machen müsse. Ich habe diesen ganzen Blödsinn
in meinem Ernährungskurs ebenfalls gelernt, inklusive dem Berechnen aller möglichen dubiosen Ziffern.
Wer das glaubt, dem sei dieses Bild ans Herz gelegt:
Sechs körperlich schwer arbeitende Menschen, alle übergewichtig.
Aktueller Anlass dieses Artikels ist eine nette Begegnung im Bekanntenkreis. Ein naturschlanker Freund, der noch nie mit dem Gewicht gekämpft hat, ist plötzlich einigermaßen – nennen wir es:
stattlich geworden. Er sieht gut aus, muskulös und fit, aber eben auch bisschen breiter. Stolz erzählt er, dass er nun Rad statt Auto fährt und verweist auf seine beachtliche Beinmuskulatur.
Vermutlich ist er schwerer geworden, denn Muskeln wiegen viel. Das ist mir aber wurscht, ich will wissen, wieso er breiter wird. Die Antwort gibt uns seine Freundin. Sie vertraut mir an, dass er,
seit er Rad fährt, ungefähr doppelt so viel isst und seufzt, dass sie mit Essen beschaffen gar nicht mehr nachkommt.
Und mit dieser Anekdote sind wir auch schon am Knackpunkt:
Sport macht Hunger!!!
Das wissen Sie, verehrte LeserInnen, im Grunde genau. Wie oft haben Sie schon Stepping-, Jogging-, Schwimm- oder Gymnastikstunden absolviert, und dann mit dem Gefühl „jetzt brauch ich's“ ein paar
extra Bananen, Wurstsemmeln oder Milkshakes konsumiert? Ich sicher sehr oft. Dabei sollten wir nie vergessen, wie wenig Kalorien durch Bewegung verbrannt werden: Ein halbe Stunde
Schwimmen verbrennt ca. 50. Das ist ein kleiner Apfel.
Radfahren: ca. 200. Das ist ein kleines Glas Milch.
Gymnastik: ca. 150. Das ist eine Scheibe Knäckebrot mit Gervais.
Kurz gesagt, Sport macht viel mehr Hunger, als er verbrennt.
Die ganze Idee basiert auf falschen Prämissen. Wenn jemand ca. 2000 Kalorien pro Tag braucht, aber konstant nur 1800 isst, stellt sich der Körper schon nach wenigen Tagen um und verbraucht nur
1800. So kann man nicht abnehmen!
Zwei weitere Denkfehler sind in diesem Themenkomplex ständig anzutreffen.
Erstens: Man solle den Grundumsatz durch Muskelaufbau erhöhen, denn Muskeln verbrauchen Energie sogar im Ruhezustand. Doch die Wahrheit ist, wenn Sie mehr Muskeln haben, als Sie in Ihrem echten
Leben brauchen, halten sich die nicht.
Erinnern wir uns an das hier:
Bauarbeiter ca. 1930. Körperlich schwer arbeitende Menschen, aber besondere Muskelprotze sind sie im Vergleich zu heutigen Sportlern nicht. Dafür sind sie alle schlank.
Der zweite Denkfehler, der immer mehr in Mode kommt, basiert ebenfalls auf der Prämisse Kalorien sparen: Man solle Dinge essen, die viel Wasser und Ballaststoffe enthalten, denn dann der sei der
Teller randvoll bei ganz wenig Kalorien. Man solle also eher einen Riesenteller Erbsen oder Broccoli essen, aber keinen Speck, denn das sei kalorien'dichter'. Was sie nur vergessen, dazu zu
sagen, ist, dass viele Kalorien satt machen. Wenig Kalorien eher nicht.
An dieser Stelle kommt der ultimative Rat: Man brauche eben Willenskraft. Nein, falsch, das sagen sie uns nicht. Das implizieren sie indirekt, indem sie uns sagen, wir sollen wenig Kalorien
essen, viel Bewegung machen und das immer.
Überflüssig zu sagen, dass das nicht funktioniert. Willenskraft nutzt sich ab. Man hat sie für ein, zwei Wochen und dann ist man erschöpft. Bitte versuchen Sie es niemals so, sie schaden nur
Ihrem Stoffwechsel.
Sind Sport + Bewegung gut?
Ja, schon. Wenn Sie das Ausmaß und jene Bewegung finden, die Ihnen Spaß macht, wenn Ihr Sport das Belohnungssystem sofort aktiviert („Ich mach das gerne!“) und nicht indirekt („Wie langweilig,
aber später habe ich hoffentlich irgendeinen Nutzen“), dann haben Sie sich etwas Gutes getan.
Muskeln aufzubauen, Beweglichkeit und Dehnung zu erreichen, körperlich belastbar und fit zu sein, sind tolle Ziele, die sich lohnen.
Der wirkliche Nutzen von Sport + Bewegung liegt aber woanders: Richtig und mit Vergnügen gemacht helfen sie, den Stresslevel zu senken und Stresshormone abzubauen. DAS ist der Knackpunkt, der
hilft, den Stoffwechsel (und vieles anderes) zu reparieren und abzunehmen.
Der reparierte Stoffwechsel funktioniert so:
„Ich habe heute viel gemacht, also esse ich viel.“ „Ich war heute nur faul, also habe ich kaum Hunger.“
Ganz ohne Willenskraft.